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Passerelle Schwieri – Unterbruch länger als geplant

today9. März 2021 61

Hintergrund
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Am letzten Freitag (5. März 2021) hat die SBB über den Abbruch und die Neuplanung der Passerelle Schwieri in Liestal informiert. Die im Rahmen der Arbeiten für den Vierspurausbau bereits länger bekannte Massnahme hat einige Anwohner*innen in den angrenzenden Quartieren trotzdem aufgeschreckt. Die Information der SBB enthält nämlich ein pikantes Detail: Entgegen der ursprünglichen Planung fällt die direkte Verbindung für Fussgänger*innen von der Gartenstrasse in die Poststrasse nicht nur für einige Monate, sondern möglicherweise über mehrere Jahre weg.

(Foto: Movepics)

Nach den ursprünglichen Plänen hätte bereits diesen Sommer, also wenige Monate nach dem Abbruch der alten Passerelle, eine neue, breitere Passerelle als Ersatz in Betrieb gehen sollen. Als Grund für die Planänderung gibt die SBB die hängigen Einsprachen gegen das Bauvorhaben an. Die Einsprechenden verlangen eine behindertengerechte Ersatzlösung für den aufzuhebenden Bahnübergang Schwieri. Die vorgesehene Lösung erfülle insbesondere aufgrund des steilen Zugangs auf der Südwestseite die Anforderungen an einen behindertengerechten Zugang nicht.

Bereits im Herbst 2019 wurde seitens SBB und Stadt Liestal zwar eine neue Lösung präsentiert, die aus Sicht der Einsprechenden jedoch das Hauptanliegen weiterhin nicht erfülle. Das Bahn­unternehmen reichte den von SBB und Stadt favorisierten Vorschlag trotzdem beim Bundesamt für Verkehr (BAV) ein und anfangs 2021 hat dieses die SBB mit der detaillierten Ausarbeitung beauftragt. Erschwerend kommt hinzu, dass das BAV die Anpassung der stadtseitigen Rampe als wesentliche Änderung betrachtet und dadurch ein separates, zusätzliches Plangenehmigungs­verfahren (PGV) gemäss Eisenbahngesetz notwendig wird.

Unter Berücksichtigung der ordentlichen Dauer eines solchen Plangenehmigungsverfahrens, allfälligen Einsprachen und Beschwerden sowie der notwendigen Vorlaufzeit für Gleissperren im Baubereich rechnet die SBB damit, dass mit dem Bau der neuen Passerelle möglicherweise erst nach 2025, beziehungsweise nach der Inbetriebnahme des Vierspurausbaus begonnen werden kann.

In der Nacht vom 23. auf den 24. Mai 2021 wird die alte Passerelle nun also abgebrochen. Da im Sommer 2022 der bestehende Bahnübergang Schwieri wie vorgesehen aufgehoben wird, besteht ab dann möglicherweise für längere Zeit kein direkter Zugang mehr vom Schwieriweg oder der Gartenstrasse ins auf der gegenüberliegenden Seite der Geleise gelegene Stedtli. Und umgekehrt ins nahegelegene Naherholungsgebiet, zu Arztpraxen oder Kindergärten.

Immerhin bieten sich – abhängig vom Baufortschritt – ein paar Alternativen an: Einerseits die rund 250 Meter östlich von der Passerelle gelegene Seltisbergerbrücke, die Unterführung entlang des Orisbachs (Hinterseeweg) oder der Umweg über den Bahnhof. Bis zur Umsetzung der von der Stadt Liestal in Planung befindlichen Fuss- und Velowegverbindung (sogenannter ‘Schwieristeg’) erstellt die SBB südlich des Gleisfeldes bis Ende Mai einen stufenfreien und steigungsarmen Gehweg vom Schwieriquartier zum Bahnhof, inklusive einer dazu nötigen provisorischen Fussgängerbrücke über den Orisbach.

 


 

Wir haben uns in den vergangenen Tagen sowohl mit Vertreter*innen aus dem Schwieriquartier als auch mit den Verantwortlichen bei der SBB, der Stadt Liestal und mit dem BAV unterhalten. Den Einsprechenden ist die Verärgerung deutlich anzuspüren. Die neusten Informationen ändern jedoch grundsätzlich nichts an der Forderung nach Ersatz für die Aufhebung des heutigen niveaufreien Bahnübergangs inklusive eines behindertengerechten Zugangs vom Schwieriweg aus. Den zwar rollstuhlgängigen, aber deutlichen längeren Umweg via Bahnhof und Allee ins Stedtli erachten die Anwohner*innen aufgrund der Höhenunterschiede als keine hinnehmbare Alternative.

Wenig Verständnis haben die Einsprechenden bezüglich der seit der Einsprache verstrichenen Zeit. Insbesondere die Zeitspanne seit der im Herbst 2019 präsentierten Vorschläge sei nicht nach­vollziehbar. Zwischen den Zeilen wird den Verantwortlichen von SBB, Stadt und BAV angelastet, die Klärung bewusst in die Länge gezogen zu haben, um einerseits den Druck zu erhöhen und anderer­seits vollendete Tatsachen zu schaffen.

Die SBB verweist ihrerseits auf die zeitintensiven Abklärungen und die gesetzlichen Vorgaben, die bei solch komplexen Vorhaben einzuhalten sind. Dies verunmögliche auch kurzfristige alternative Lösungen wie beispielsweise eine provisorische Passerelle bis zur Klärung der offenen Punkte. Zu beachten sei diesbezüglich insbesondere auch die Lage an der wichtigen Hauptachse Basel – Olten und der notwendigen längerfristigen Planung von Bauarbeiten und Streckensperrungen.

Eine Diskrepanz besteht offensichtlich bezüglich der Termineinhaltung. Die Einsprecher inter­pretieren die Aussagen des BAV dahingehend, dass die SBB bis heute entgegen den Vorgaben kein verbindliches Projekt eingereicht hätten. Eine Antwort diesbezüglich seitens BAV ist ausstehend.

In der Mitteilung der SBB wird erwähnt, dass der bevorstehende Abbruch mit der Stadt als Miteigen­tümerin der Passerelle abgestimmt sei. Dies wird von den Verantwortlichen der Stadt Liestal bestätigt: «Der Stadt ist bewusst, dass die SBB im Bauablauf dieses komplexen Projekts wenig Spielraum hat. Insbesondere sind die möglichen Termine für Gleissperrungen eine wichtiger Taktgeber und lange voraus zu planen. Es bestehen bei diesem Jahrhundertbauwerk keine baulichen Alternativen.» Und weiter: «Die Stadt bedauert, dass durch das Beharren der Einsprecher auf nicht umsetzbaren Lösungsvorschlägen eine rasche Lösung verhindert wird. Für die Stadt ist der Bau der Passerelle wichtig. Je schneller er sich realisieren lässt umso besser. Die Erfüllung der Behindertengerechtigkeit ist aus Sicht der Stadt eine Frage der Verhältnismässigkeit und des städtebaulichen Eingriffs. Aus Sicht der Stadt wäre die Variante aus der ursprünglichen Planauflage (vergleichbar mit dem bestehenden Zustand) durchaus vertretbar gewesen.»

Und wie beurteilt das BAV die Situation, dass entgegen eines ursprünglich wenige Monate dauernden Unterbruchs (Abbruch und Neubau Passerelle innert Jahresfrist) neu möglicherweise über längere Zeit Einschränkungen in Kauf genommen werden müssen? Der Mediensprecher des BAV: «Der Abbruch der Passerelle Schwieri ist durch den Vierspurausbau bedingt und war schon seit jeher Gegenstand des Plangenehmigungsverfahrens.» Und auch das BAV erachtet die Alternativerschliessungen «für die Betroffenen als zumutbar».

Die Einsprecher verweisen insbesondere auf die folgende Auflage in der Plangenehmigung: «Die SBB haben die Passerelle Schwieri derart anzupassen, so dass diese und deren beidseitigen Zugänge den Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG), der AB-EBV und der Schweizer Normen entspricht […]».

Wie steht das BAV zu dieser von ihnen verfassten Auflage: «Die Projektierung der neuen Passerelle ist momentan bei den SBB im Gang. Das Projekt soll gemäss Angaben der SBB im Sommer 2021 beim BAV eingereicht werden. Die genaue Ausgestaltung der Passerelle sowie die Einhaltung der in der Plangenehmigung angeordneten BehiG-Auflage kann erst nach dem Eingang des Dossiers für die neue Passerelle durch das BAV geprüft werden.»

Abschliessend der Vertreter des Liestaler Stadtrats, der erneut an die Verhältnismässigkeit appelliert und ein Optimum für alle Beteiligten anstrebt: «Die topografische Lage in Liestal stellt uns alle immer wieder vor grössere Herausforderungen, die ganzheitlich und in einer Verhältnismässigkeit zu betrachten sind. Dies immer mit dem Ziel, das Bestmögliche für alle in Liestal miteinander lebenden Mitmenschen herauszuholen und umzusetzen. Es ist am BAV zu überprüfen, ob die verfügten Auflagen der zukünftigen Erschliessung des Schwieriquartiers eingehalten werden.»

Geschrieben von: grenzenlos

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